Jesus, der Weg
Gemeindepredigt zu Johannes 14

Wir hören eine Predigt, die sich damit beschäftigt, dass wir alle in gewisser Weise auf dem Weg sind. Wer begleitet uns dabei? Wo kommen wir her? Und wo kommen wir an? Die Predigt ist aus dem Internet und stammt von Pfarrer Ulrich Pohl. Sie trägt den Titel "Jesus, der Weg".

Gnade sein mit uns und Friede, von Gott unserem Vater und unserem Herr Jesus Christus.

Wir sind auf dem Weg. Jeden Tag sind wir auf dem Weg. Auf dem Weg zur Schule. Auf dem Weg zur Arbeit. Auf dem Weg zum nächsten Geschäft. Auf dem Weg zum Arzt. Am Nachmittag oder Abend sind wir auf dem Weg zurück. Sind wir zu Hause, machen sich unsere Gedanken auf den Weg. Folgen dem, was sie auf der Mattscheibe sehen. Oder auf dem Monitor.
Wir sind auf dem Weg. Was ist das Ziel?

Wir sind auf dem Weg durch den Tag, wir sind auf dem Weg durch die Woche. Absolvieren den Montag. Absolvieren den Dienstag. Sind auf dem Weg in Richtung Wochenende. Der ersehnte Samstag. Der Sonntag dann. Ausschlafen oder Gottesdienst. Und wieder ein Neubeginn. Wieder ein Montag. Wir sind auf dem Weg. Was ist das Ziel?

Wir sind auf dem Weg durch das Jahr. Es beginnt im Dunkel, dann breitet sich das Licht aus. Das Frühjahr kommt, schon stehen wir am Beginn des Sommers. Wir machen uns auf den Weg zu den lang ersehnten Zielen im Süden. Manche bleiben hier und schicken ihre Gedanken auf die Reise geschickt, ihre Erinnerungen. Sind alle zurück, fallen die ersten Blätter. Das Gemeindefest steht an, das jährliche Familienfest. Wieder geht es auf Weihnachten zu. Und wieder folgt ein Neubeginn.
Wir sind auf dem Weg. Wo ist das Ziel?

Wir sind auf dem Weg durch das Leben. Wir wachsen auf, lernen, steuern den ersten Abschluss an. Wir suchen den Weg zu dem Menschen, den wir lieben. Wir nehmen uns etwas vor, fassen Projekte ins Auge und machen uns auf, sie zu verwirklichen. Wir bauen ein Haus. Wir ziehen Kinder groß. Wir planen die großen Ereignisse. Feiern die runden Geburtstage. Sind auf dem Weg in Richtung Ruhestand. Und dann? Irgendwann liegt nur noch ein Weg vor uns. Der Weg, von dem man sagt, dass er der schwerste sei. Wohin führt uns die Reise?
Wir sind auf dem Weg. Wo ist das Ziel?

Auch im Kosmos, der uns umgibt, ist alles auf dem Weg. Sterne erscheinen, Sterne versinken und unsere Sonne zieht ihre Bahn durch das All. Irgendwann wird sie aufglühen und vergehen. Was ist dann? Wir sind auf dem Weg, er erscheint uns lang. Doch durchqueren wir nur eine verschwindend geringe Distanz in einem unendlich sich weitenden Raum. Und die Zeit, die uns bemessen ist, ist nur ein Wimpernschlag, gemessen an einer unmessbaren Ewigkeit. Wir sind auf dem Weg.
Wo ist das Ziel?

Jesus stellt ein Ziel vor uns hin. Ein einfaches Ziel. Eines, auf das wir gerne zugehen. Wir alle sind auf dem Weg zum Vater. Von ihm kommen wir her. Auf ihn gehen wir zu. Am Ziel steht nicht ein endloser Raum. Nicht eine leere, grenzenlose Zeit. Am Ziel steht eine Person. Am Ziel steht Gott wie ein Mensch. Am Ziel steht der Vater. Wir sind auf dem Weg. Ob wir es wissen oder nicht, wir sind auf dem Weg zu ihm.

Jesus lehrt uns, das nicht zu vergessen. Er erinnert uns an den Vater. Und er zeigt uns, wie wir zu ihm gelangen.

Ich bin der Weg. Das hört sich merkwürdig an. Das klingt geheimnisvoll. Wie kann ein Mensch ein Weg sein? Ein Weg, auf dem man geht? Ein Weg, den man gar mit Füßen betritt? Der Evangelist Johannes überliefert uns eine ganze Reihe solcher geheimnisvoller Sätze. Sätze, in denen Jesus etwas über sich selbst sagt. Etwas, das sich wichtig anhört, und wichtig für uns ist. Aber eben auch Sätze, die nicht ohne weiteres zu verstehen sind. Ich bin die Auferstehung. Ich bin das Licht. Ich bin die Tür.

Durch ihre Geschichte hindurch hat die Christenheit versucht, diese Ich-Bin-Worte Jesu zu entschlüsseln. Zu Ende gekommen ist sie damit bis heute nicht.

Mitunter hat sie diese Sätze missdeutet. Ich bin der Weg. Keiner kommt zum Vater, denn durch mich… Das kann man verstehen, als würde Jesus den Weg nicht zeigen und öffnen, sondern versperren. Keiner kommt zum Vater! Nur durch mich! Das kann man so deuten, als ginge es da um Macht. Um die Macht, die einen zum Vater zuzulassen. Und die anderen abzuweisen. Zugelassen werden die, die an Christus glauben. Abgewiesen werden die, die nicht an ihn glauben wollen. Zugelassen werden die, die die Lehre der Kirche als die richtige anerkennen. Abgewiesen werden die Kritiker. Die Zweifler, die Atheisten.

Doch hätte Jesus das wirklich so gemeint, hätte er etwas anderes gesagt. Er hätte dann gesagt: Keiner kommt zum Vater, es sei denn, dass er an mich glaubt. Doch das sagt er nicht. Nicht hier. Er spricht hier nicht vom Glauben an ihn oder von den richtigen Gedanken über ihn. Er spricht von sich direkt: Keiner kommt zum Vater, denn durch mich. Darauf kommt es an: Dass Jesus selbst für mich zum Weg wird. Dass ich mich Jesus unmittelbar verbunden fühle.

Was das bedeutet hat Nikolaus Graf von Zinzendorf, der Gründer der Herrnhuter Brüdergemeinde, in Liedverse gefasst. Wir haben sie eben gesungen. Jesus, geh du voran. Jesus führe mich. Jesus, ordne meinen Gang. Jesus, tu mir die Türen auf.

Mitunter führt uns das Leben Wege, die niemand vor uns gegangen ist. Nikolaus Graf Zinzendorf weiß das. Er kennt auch den Weg durch das Leid. Es ist ein Weg, den niemand für mich vorgespurt hat. Ein Weg, von dem ich das Gefühl habe, ich muss ihn zuletzt ganz alleine gehen. Niemand kann mich dabei begleiten. Wenn ein Mensch, an dem ich hing, plötzlich nicht mehr da ist. Wenn meine Kräfte nachlassen, die mich immer so getrost gemacht haben. Wenn der Schmerz überhandnimmt und so groß wird, dass er alle Aufmerksamkeit auf sich zieht. Wenn der Blick nicht weiter reicht, als bis zum nächsten Schub. Wo ist dann der Weg?

Jesus sagt von sich, er ist der Weg und er kennt den Weg. Auch er ist den Weg durch das Leid gegangen. Daran erinnern wir uns immer, wenn wir auf das Kreuz schauen. Wo ich leiden muss, ist er an meiner Seite. Wo ich etwas entbehre, teilt er meinen Mangel und will ihn mit seiner Liebe ausgleichen. Er ist der Weg. Und er ist meinen Weg schon gegangen. Ich soll meine Hand in die Hand Jesu legen. Dann führt er mich. Ich soll zu ihm sprechen und ihn fragen. Dann antwortet er. Ich soll hören, wenn er spricht. Ich soll ihn suchen in der Schrift. Täglich. Ich soll versuchen zu verstehen, was er sagt. Dann werde ich erkennen. Dann werde ich den Weg erkennen. Dann sehe ich das Ziel. Dann erkenne ich den Vater, wie er am Ende des Weges steht und seine Arme ausbreitet.

Wir sind auf dem Weg. Wohin immer unser Weg uns führt: Wir sind auf dem Weg zum Vater. Jesus geht uns auf dem Weg voran. Er geht ihn mit uns. Er begleitet uns. Er steht uns bei. Er verbindet sich mit unserem Weg so eng, dass er für uns selbst zum Weg wird.

Jesus ist der Weg. Wir müssen nur auf ihn vertrauen.